Mentale Stärke

Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Grübeln und ein klein wenig Achtsamkeit
Autor
Nils Steinhilb

Sieht man die Begrifflichkeit und deren Kontext in der heutigen Zeit immer häufiger „aufploppen“, so stellt sich die Frage­: Was bedeutet überhaupt mental? Was gehört alles dazu?

Mental beschreibt alle inneren, kognitiven Prozesse wie Aufmerksamkeit, Denken (Problemlösung), Emotionen, Gedächtnis, Lernen, Motivation, Wahrnehmung und vieles mehr.

Da das Thema in einem flotten Blogbeitrag nicht ausreichend umrissen werden kann, konzentrieren wir uns einleitend ausschließlich auf psychische Grundprinzipien der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, um dem „Grübeln“ die trockene Theorie vorweg zu nehmen.

Warnehmung und Aufmerksamkeit

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit hängen zusammen und voneinander ab, sind jedoch nicht identisch. Die Wahrnehmung ist eine Interpretation von gewissen Reizen. Welche Reize besondere Aufmerksamkeit finden und worauf Du Dich konzentrierst, hat wiederum mit Deinen Vorerfahrungen und dem Wissen Deines Individuums zu tun. Deine Aufmerksamkeit könnte man auch als eine Art Wahrnehmungsfilter verstehen.

Schauen wir uns folgendes Beispiel an:

Angenommen Du sitzt auf einem Stuhl (Ein relativer gewöhnlicher Vorgang). So nimmst Du nicht bewusst wahr, dass Dein Gesäß gegen die Sitzfläche des Stuhls drückt. Da Du Dir aber den letzten Satz vergegenwärtigst, richtest Du Deine Aufmerksamkeit aktiv auf Dein Gesäß und spürst den Druck. Dieser Reiz wird irgendwann (im weiteren Verlauf beim Lesen des Blogs) als unwichtig eingestuft und rückt in den Hintergrund. Der größte Benefit ist, dass Dein Gehirn nicht reizüberflutet wird.

Aufmerksamkeit beschreibt verschiedene Formen von Selektivität. Du selektierst Deine Wahrnehmung, um manche Dinge eventuell zu ignorieren. Aufmerksamkeit bestimmt, worauf Du reagierst und was Du ignorierst. Dabei ist Aufmerksamkeit kein konstanter Richtwert. Wie im obigen Beispiel mit dem Stuhl, kann sie nach einer gewissen Gewöhnungszeit schwinden. Du schenkst einem Reiz irgendwann einfach weniger Beachtung, wenn Du Dich an ihn gewöhnt hast.

Grundsätzlich interagierst Du mit Deiner Umwelt durch ein Wechselspiel aus Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Handlung. Wobei Deine Wahrnehmung nie die objektive Realität wiedergibt.  

Du kannst beispielsweise nur ein bestimmtes Farbspektrum mit Deinen Augen wahrnehmen und nur spezifische Tonbereiche hören. Da haben uns manche Tiere so einiges voraus.

Deine bewusste Wahrnehmung hängt auch mit der sozialen Umwelt zusammen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Dieser Umstand ist evolutionär begründet, da die Überlebenschancen Deiner Vorfahr:innen bedeutend besser standen, wenn sie Teil einer Gruppe waren. Daher ist Deine Wahrnehmung auch stark auf das Erkennen menschlicher Gesichter oder Bewegungen geprägt. Dir sind in bestimmten Mustern bestimmt schon einmal "Gesichter" aufgefallen, obwohl sich objektiv gesehen gar keine "Gesichter" darin befinden. Das können Steckdosen, Wolken oder Hausfassaden sein. Um welches Objekt es sich handelt, ist irrelevant. Sobald sich darin einige Merkmale befinden, die auch nur im Entferntesten an Augen, Nase und Mund erinnern, siehst Du meist direkt ein Gesicht darin.

Grübeln

Wie Du eingangs gelernt hast, sind Aufmerksamkeit und Wahrnehmung wichtige Teile Deiner Denkprozesse, die Dein Gehirn ökonomisch halten. Jetzt richten wir Deine Aufmerksamkeit auf einen „un-ökomischen“ Denkprozess, den Du sicher kennst:

Die Unterhaltung in Deinem Kopf mit Dir selbst. Allerdings führst Du kein normales und geordnetes Gespräch, weil Deine Gedanken scheinbar durch Zeit und Raum springen. Das verläuft meist sehr chaotisch und ist gleichzeitig völlig normal: Es wird „gegrübelt“.

Warum Grübeln wir?

Zum Grübeln neigen einige mehr als andere. Doch im Grunde kennst auch Du es, wenn Deine Gedanken nicht stillstehen und Du wieder einmal im Gedanken-Karussell fest hängst. Du erhoffst Dir hierdurch eine Lösung für das, was Dich beschäftigt, zu finden. Dabei schadet dieses Über-Denken leider mehr, als dass es Dir hilft. Zusätzlich fokussierst Du Deine Gedanken auf bestimmte Punkte. Beispielsweise eine Auseinandersetzung bei der Arbeit oder ein bevorstehendes Ereignis. Bei einem solch starken Fokus passiert es auch, dass Du Deine Gedanken gefühlt nicht mehr unter Kontrolle hast. Du denkst immer und immer wieder dieselbe Gedankenschleife und konzentrierst Dich nur noch darauf.

Du gelangst in diese tückische Denkschleife, weil Du eigentlich eine Lösung finden möchtest, doch leider ist das Ganze recht trügerisch: Grübeln führt zu keinen Lösungen. Sogar das Gegenteil ist der Fall, das Denken selbst wird zum Problem.

Um des Grübelns Willen!

Mit Selbstzweck ist hierbei nicht gemeint, dass wir uns im Kreis drehen, sondern eher, dass wir im Gedanken-Karussell sausen und dabei trotzdem hoffen, an einen anderen Ort zu gelangen. Auch wenn wir ein vergangenes Erlebnis zum zehnten Mal durchgespielt haben, setzen wir noch zu einem elften Mal an, diesmal könnte ja etwas anderes dabei herauskommen.

Dadurch, dass Du Deine Gedanken auf einen bestimmten Punkt fokussierst, fällt es schwerer, sich auf andere Sachen zu konzentrieren. Das Gehirn kann durch Deine selektive Aufmerksamkeit, wie Du mittlerweile weisst, nur Ausgewähltes lenken.

Zum einen konzentrierst Du Dich so nicht mehr auf das Hier und Jetzt. D nimmst Deine momentanen Empfindungen also nicht genau wahr. Zumeist liegt das größte Grübel-Potential in unerledigten Aufgaben und offenen Fragen, Konflikten und belastenden Erlebnissen. Diese negativen Gedanken lenken Dich davon ab, positive Empfindungen in der Gegenwart zu bemerken.

Zum Anderen sinkt so die Kapazität für andere Gedanken. Konkret bedeutet das, Du schaffst Aufgaben nicht mehr, vergisst Dinge und bekommst zum Beispiel in Gesprächen nur die Hälfte mit.

Warum steigst Du nicht aus dem Gedanken-Karussell aus, wenn Du doch weißt, dass es ins Nirgendwo führt?

Nun, es gibt zwei Gründe, warum Du nicht einfach aufhören kannst, zu grübeln:

  1. Du hältst an der Hoffnung fest, doch noch eine Lösung zu finden. Der Mensch lebt in der Annahme, dass sich alle Probleme mit genügend Nachdenken lösen lassen müssen.
  2. Gefühl von Machtlosigkeit. Deine Gedanken fühlen sich unkontrolliert an und Du hast das Gefühl, keinen Einfluss auf die Gedankenschleife zu haben.

Auswirkungen:

Viel hilft viel? Nicht im Fall von Nachdenken. Zu viel über ein und dasselbe Thema zu sinnieren, belastet Dich mehr, statt Dir zu helfen. Zahlreiche Studien belegen, dass Grübeln Dich unglücklich macht. So zeigte eine Studie, dass unangenehme Gefühle, wie Angst und Trauer, nicht nur Denkschleifen auslösen, sondern aus ihnen folgen. Kurzgefasst, Du bekommst schlechte Laune durch zu viel Nachdenken. Außerdem wirkt sich ständige Grübelei negativ auf Deine psychische Gesundheit aus und erhöht das Risiko für Depression und Angstsymptome.

Wie stoppen wir Grübeln?

Du hast es sicher oft gehört und vielleicht schon darüber gelesen: Achtsamkeit stärken wird oft als bestes Werkzeug gewählt. Dabei lassen wir das Thema Meditation außen vor.

Eine gut trainierte Achtsamkeit hilft Dir dabei, die Reaktionen Deines Körpers ebenso wahrzunehmen, wie die Gedanken. Es stärkt Deine Fähigkeit, das Hier und Jetzt wahrzunehmen.

Achtsamkeit bedeutet auch, Deine Komfortzone zu verlassen. Manche Menschen denken, in der Gegenwart zu sein ist gleichbedeutend damit, Glück zu empfinden. Dabei funktioniert es nicht so, denn achtsam und wertfrei den eigenen Gedanken zu lauschen, kann auch Schmerz und Anstrengung mit sich bringen. Grübeln lenkt davon ab, Dich mit unangenehmen Gefühlen dahinter zu beschäftigen. Wenn Du diese Gefühle dann spürst, bedeutet das vor allem, Dich selbst zu verstehen. Das ebnet Dir den Weg, eine tatsächliche Lösung zu finden. 

 

Soforthilfen bei Grübeln!

 

  1. „Was“ statt „Warum"
    Du fragst oft nach dem „Warum“. Warum habe ich dies so gemacht, warum habe ich jenen Konflikt, warum denke ich so viel nach? Die Frage nach den Hintergründen und Ursachen reiht sich dabei allerdings im schlimmsten Fall nur in die Gedanken-Schleife mit ein. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, hilft die Frage nach dem „Was“. Was fühle ich gerade oder was habe ich in der Situation gefühlt? Was macht das mit mir und was brauche ich? Diese Umformulierung wirkt doppelt. Du stellst Dir somit lösungsorientierte Fragen, auf die Du auch selbst eine Antwort geben könntest - gleichzeitig holst Du Dich mit diesen Fragen zurück in die Gegenwart, statt bei diesem einen Gedanken zu verweilen.
     
  2. Gedanken herauslassen
    Wenn Dich ein bestimmter Gedanke quält, dann gib ihm einen neuen Ort, zum Beispiel auf einem leeren Blatt Papier. Gedanken aufzuschreiben, hilft Dir dabei, Dich aus der Dauerschleife zu lösen. So sortierst Du Deine Gedanken und bekommst sogar noch einen neuen Blickwinkel.

 

  • Grübeln ist wie Schaukeln, man ist zwar beschäftigt kommt aber kein Stück weiter.
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